Allerheiligen im Stiftsland

Im Gedenken an liebe Verstorbene

Viele Menschen gedenken ihrer Toten in einer ökumenischen Feier auf den beiden Friedhöfen in Berchtesgaden. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger segnen mit einer Schar von Ministranten aus den Pfarreien des Talkessels die Gräber. Ein geistlicher Impuls von Pfarrer Dr. Thomas Frauenlob.


Predigt bei der ökumenischen Gräbersegnungauf dem Bergfriedhof in Berchtesgaden
am 1. November 2023
von Dr. Thomas Frauenlob

 

Lesung aus dem ersten Johannesbrief

Schwestern und Brüder!
Seht, welche Liebe uns der Vater geschenkt hat:
Wir heißen Kinder Gottes
und wir sind es.

Deshalb erkennt die Welt uns nicht,
weil sie ihn nicht erkannt hat.
Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes.
Doch ist noch nicht offenbar geworden,
was wir sein werden.

Wir wissen,
dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird;
denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

Jeder, der diese Hoffnung auf ihn setzt,
heiligt sich,
so wie er heilig ist.

Wort des lebendigen Gottes


Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Wir stehen in diesen November-Tagen an den Gräbern als Orte für unsere Trauer und der Erinnerung. Wir lesen die Namen derer aus unseren Familien und unserem Bekanntenkreis, die von uns gegangen sind. Dies lässt nicht unberührt, sondern löst etwas in uns aus. Gedanken und Bilder steigen auf, die uns Lebenden mit unseren Toten verbinden. Die Erinnerung ist das Band über den Tod hinaus. Gefühle werden wach. Da sind Erinnerungen voll Liebe, Zuneigung und Freundschaft. Innere Bilder gemeinsamer Freuden und Feste, schöner Erlebnisse und Dankbarkeit für Sorge um uns, Begleitung und Vertrauen im Leben.

Aber auch negative Gefühle können erwachen, wenn gemeinsame Wegstrecken von Missverständnissen oder tiefergehenden Konflikten geprägt waren, die nie geklärt werden konnten, weil vielleicht der Tod sich plötzlich einstellte oder die Kraft oder gar der aufrichtige Wille zur Versöhnung fehlten.

Manche stehen heute am Grab geliebter Menschen, die freiwillig aus dem Leben geschieden sind. Die Gründe bleiben meist rätselhaft, werden für die Zurückgebliebenen nicht selten zur Quelle von Selbstzweifel und -anklage. Ja, es mögen sogar Wut und Zorn aufsteigen, weil uns der Verstorbene so ratlos zurücklässt und scheinbar einfach gegangen ist. Jedes Leben bleibt im Letzten unergründlich, alles Fragen und Zweifeln verdichtet sich am Grab.

In der Antike finden wir Gräber mit Inschriften, in denen quasi die Toten zum Betrachter sprechen: „Ich war, was du bist, und du wirst sein, was ich bin“. Ja, wir müssen angesichts des Grabes unsere irdische Wirklichkeit wahrhaben: Der Mensch ist vergänglich. So vergänglich, dass er sich nach seinem Tod auflöst und zur Erde zurückkehrt – wie wir sagen! Das Grab ist der Ort der Vergänglichkeit und Verwesung.

Der antike Spruch kommt einer existenziellen Kapitulation gleich, der Auffassung nämlich, dass mit dem Tod alles aus ist und unser Körper, also wir, zu Erde werden. Diese Vorstellung hat aber Konsequenzen für die Erdenzeit des Menschen. Unsere Existenz bliebe ohne Ziel und letztlich ohne Sinn. Gäbe es da noch einen wirklichen Grund zum Leben außer allen sich bietenden Genuss zu verfolgen, der nie zufriedenstellen kann? Wir wären Wesen, die auf der Erde ziellos herumirren bis sie sich früher oder später in nichts auflösen. Kann das wirklich alles sein?

Wir pflegen unsere Gräber, bepflanzen sie mit Grün und Blumen – Zeichen für Leben am Ort des Todes. Bei Beerdigungen legen wir Kränze aufs frische Grab. Es sind Zeichen für einen Sieg, den Sieg über den Tod. Unsere Toten treten nach unserer gläubigen Überzeugung ein in eine geistige Welt, die – wie der erste Johannesbrief sagt - dem menschlichen Auge weitgehend verborgen ist, die sich anfangshaft denen erschließt, die mit den Augen des Herzens und des Glaubens zu sehen gelernt haben.

Der Johannesbrief greift diese Sichtweise menschlicher Existenz auf im Bild der Kindschaft. Wir sind nicht nur Erdlinge und damit für den Tod bestimmt, sondern zugleich geliebte Kinder Gottes, als Abbilder Gottes geschaffen. Unsere Bestimmung ist es seit der Taufe sogar ausdrücklich, zur Familie Gottes zu gehören. Und wie ein Vater oder eine Mutter ihr Kind nie fallen lassen wird, so sind wir in der liebenden Hand Gottes geborgen und geschützt – auch und gerade im Tod.

Auf Erden wird dieses Kindsein noch gestört durch so manche Herausforderung, durch Mühen, Zweifel und mangelnde Erkenntnis. Doch die vollkommene Kindschaft ist unser großes Ziel, zu dem wir Tag für Tag unterwegs sind. Wir sind Pilger in der Erdenzeit. Wir folgen dabei den Spuren Jesu, die seit dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi über den Tod hinaus direkt in das Reich des Vaters, das Himmelreich führen. 

Der Tod hat damit seinen Schrecken verloren, das Grab ist zur Pforte in eine neue Wirklichkeit, die Wirklichkeit Gottes geworden. Die Bibel gebraucht für die Ewigkeit das Bild vom himmlischen Jerusalem. Jerusalem heißt übersetzt: Heiliger Friede. In diesem unendlichen Frieden wissen wir unsere Verstorbenen – Requiescant in Pace. Dieser Friede, das Sein bei Gott, ist uns schon Trost und Stärke im Leben auf Erden mit all seinen Freuden und Mühen, Hoffnungen und Enttäuschungen, allem Auf und Ab, mit dem wir miteinander unterwegs sind. Das himmlische Jerusalem ist ewige Heimat de Märtyrer, der Heiligen, aber genauso aller einfachen Menschen, die uns vorausgegangen sind. Deswegen singen wir bei jeder Beerdigung von dieser Heimat:

Zum Paradies mögen Engel dich geleiten,
die heiligen Märtyrer dich begrüßen
und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem.

Die Chöre der Engel mögen dich empfangen
und durch Christus, der für dich gestorben,
soll ewiges Leben dich erfreuen.

Amen.

 

Bilder / Impressionen:

allerheiligen
allerheiligen
allerheiligen
allerheiligen
allerheiligen
allerheiligen
allerheiligen
allerheiligen
allerheiligen
allerheiligen

Bilder: P. Fidelis

Weitere Informationen