Corona-Kreuzweg

von Herbert Messner

Das Hungertuch der Berchtesgadener Stiftskirche war 1954 das erste in ganz Bayern. Der Entwurf für das Fastentuch stammte von dem Berchtesgadener Kunstmaler Gottfried Rasp. Etwa 29 Jahre vorher hatte er für die Bischofswieser Pfarrkirche Herz Jesu einen Kreuzweg aus Hinterglasbildern geschaffen, der seinerzeit auf einer Kunstausstellung einen bedeutenden Preis erhielt.

P1330960akleinStation 1: Jesus wird zum Tod verurteilt

Händewaschen ist angesagt. Es kann uns vor Ansteckung schützen. Nicht aber das Händewaschen des Pilatus. Sein "Ich wasche meine Hände in Unschuld" bedeutet: Es geht mich nichts an. Aber das Leiden, gerade unter dem Corona-Virus, geht uns alle an. 

Wir beten für alle vom Corona-Virus Betroffenen, für alle Erkrankten und ihre Angehörigen.

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Station 2: Jesus nimmt das Kreuz auf sich

In diesen Zeiten hat jeder, hat jede ein besonderes Kreuz zu tragen. Erkrankung, Quarantäne, Getrenntsein von lieben Menschen, keine Arbeit, kein Einkommen, bedrohte Existenz, Einsatz bis zum Letzten, Überforderung.

Wir beten für uns alle um Kraft zum Durchhalten in dieser schwierigen Zeit, deren Ende nicht abzusehen ist.

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Station 3: Jesus fällt zum ersten Mal

Positiv getestet. Was bedeutet das? Wie wird es ausgehen? Kann mir geholfen werden? Bleibe ich liegen? Wie geht es denen, die an anderen Krankheiten leiden, für die aber die Klinikbetten ausgehen?

Wir beten für alle, die krank sind und Probleme mit der medizinischen Betreuung haben.

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Station 4: Jesus begegnet seiner Mutter

Persönliche Begegnungen sind stark eingeschränkt. Mehr geht über Telefon. Auch die Mutter in einem Pflegeheim wartet vergeblich auf Besuch und versteht vielleicht gar nicht den Grund.

Wir beten für alle unsere Lieben, die wir derzeit nicht besuchen können, und für alle, die sich auch in dieser Zeit der Pflegebedürftigen annehmen.

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Station 5: Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

Applaus für die Helfenden gibt es abends an vielen Orten. Medizinisches Personal, Pflegende und viele Einsatzkräfte leisten zum Teil Übermenschliches.

Wir beten für alle, die in dieser Zeit die Grundversorgung, die medizinische Betreuung, die Kommunikation und andere Dienste aufrechterhalten, und für alle, die sich freiwillig dafür engagieren. 

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Station 6: Veronika reicht jesus das Schweißtuch

Zeichen der Aufmerksamkeit tun jetzt gut. Vielleicht eine Schutzmaske, die auch meine Mitmenschen schützt. Ein Anruf. Eine Hilfeleistung. Einkaufen gehen. Wir sind dankbar für viele persönliche "Veronikas". 

Wir beten für die Menschen, die uns zeigen, dass wir in dieser schweren Zeit nicht allein sind.

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Station 7: Jesus fällt zum zweiten Mal

In Krisenzeiten erleben wir ein Auf und Ab. Es geht nicht so schnell wie erhofft, dass wieder "Normalität" einkehrt. Immer wieder kommen neue Nachrichten, die erschüttern.

Wir beten für die Menschen in jenen Ländern, die von Corona besonders stark und leidvoll betroffen sind.

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Station 8: Jesus begegnet den weinenden Frauen

Hoffnung und Verzweiflung sind in dieser Zeit ganz nahe beisammen. Viele bange Fragen tun sich auf, wie es überhaupt weitergehen kann.

Wir beten für alle, die Verantwortung tragen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion, sowie für alle, die Lehren aus dieser Krise ziehen wollen.

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Station 9: Jesus fällt zum dritten Mal

Menschen, die kein Zuhause haben, obdachlos sind, ganz auf Hilfe angewiesen, werden doppelt und dreifach getroffen, wenn auch das Hilfeleisten schwerer wird.

Wir beten für die Obdachlosen und die Flüchtlinge, für alle, die in Armut leben, und wir beten für alle Einrichtungen, die ihnen Hilfe anbieten.

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Station 10: Jesus wird seiner Kleider beraubt

Es trifft zahllose kleine Unternehmer, mittlere und große Betriebe. Kein Einkommen bei weitergehenden Zahlungen. Existenzkrise, Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit für die Mitarbeitenden.

Wir beten für jene, denen alles genommen scheint, die nicht wissen, ob und wie es mit dem Geschäft, dem Betrieb, dem Unternehmen, dem Arbeitsplatz, der Existenzgrundlage weitergeht.

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Station 11: Jesus wird ans Kreuz genagelt

Wir alle sind festgenagelt in dieser Krise. Wenn wir auf den ans Kreuz genagelten Jesus schauen, sehen wir einen liebenden Leidenden. Wir sehen die Wunden, aber auch die ausgebreiteten Arme und das offene Herz.

Wir danken im Gebet für alle Liebe, die wir im Leid erfahren, für die Familie, mit der wir mehr als gewohnt zusammen sind.

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Station 12: Jesus stirbt am Kreuz

"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen", betet Jesus, ehe er mit einem lauten Schrei stirbt. Unsere Welt erlebt einen Dauer-Karfreitag. Nicht einmal zum Gottesdienst können wir uns versammeln.

Wir tragen im Gebet mit Jesus die Frage nach dem "Warum" vor den göttlichen Vater, dem wir uns auch in scheinbarer Abwesenheit anvertrauen können. Wir halten einen Augenblick des Schweigens.

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Station 13: Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß Marias gelegt

Wie wird es sein, wenn die Bedrohung durch das Corona-Virus einmal vorbei sein sollte? An welchen Folgen werden wir noch lange leiden? Durch welche Erfahrungen kann sich etwas zum Positiven für unser Miteinander, für unser Glauben und Beten, für die Rettung der bedrohten Schöpfung ändern?

Wir beten um einen guten Weg für unsere Welt, dass sie geläutert in die Zukunft gehen kann.

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Station 14: Jesus wird ins Grab gelegt

Selbst das Begraben unserer Toten fällt uns derzeit schwer und kann nur im kleinsten Kreise geschehen. Doch es bleiben Dankbarkeit und Liebe über den Tod hinaus.

Wir beten für unsere Verstorbenen und  dafür, dass der Glaube an die Auferstehung uns allen die Gewissheit gibt, dass auch der schwere Stein der Corona-Krise einmal weggewälzt sein wird.

 

 

Text: Herbert Messner, Sonntagsblatt Steiermark 2020
Bilder: Andreas Pfnür