"Wir sollten alle an einem Strang ziehen"

Evangelische Gemeinde feiert 500 Jahre Reformation - Gottesdienst wird wegen Regens vom Schlossplatz in die katholische Kirche St. Andreas verlegt

Lesen Sie einen Bericht des "Berchtesgadener Anzeigers" vom 29. Juni 2017

 P1200685a bearbeitet 1kleinPfarrer Christian Gerstner, Pfarrer Dr. Thomas Frauenlob, Pfarrer Peter Schulz, Pfarrer Herwig Hoffmann, Prädikantin Ruth Landes (von links)

Die „Confessio Augustana“ aus dem Jahre 1530 war der letzte ernsthafte Versuch, die Einheit von Kirche und Reich zu retten. Er scheiterte. Am 487. Geburtstag der Augsburger Konfession feierte die evangelische Gemeinde des Berchtesgadener Landes 500 Jahre Reformation, die ja mit dem sogenannten Thesenanschlag Martin Luthers in Wittenberg im Jahre 1517 begonnen hatte. Mit einem bunten Festzug zum Festgottesdienst am Schlossplatz sollte der Tag eingeläutet werden. Indes hatte der „Wettergott“ kein Einsehen mit dem Feierwillen der evangelischen Berchtesgadener Christen und ließ es bereits am Vormittag unbarmherzig dauerregnen. So wurde der Festgottesdienst, an dem auch viele Gläubige aus der katholischen Gemeinde teilnahmen, kurzerhand in die St.-Andreas-Kirche verlegt, die dann auch, mindestens im Parterre, bis auf den letzten Platz gefüllt war.

Die vom Augsburger Rathausplatz vom Fernsehen übertragene groß angelegte Feierstunde zur „Confessio Augustana“ übrigens wurde ebenfalls stark vom Regen beeinträchtigt und hatte längst nicht die Kulisse, wie sie „im Trockenen“ wohl hätte sein können. In der Berchtesgadener Pfarrkirche war es trocken, wenn die Stimmung vermutlich auch eine andere war, als sie auf dem Schlossplatz, wo derweil das gesammelte Wasser vom Baldachin des Kanzelpodestes tropfte und sich Rinnsale auf den Sitzen der nun nicht genutzten Stühle bildeten, gewesen wäre. In den Predigten von Dekan Thomas Frauenlob und Pfarrer Peter Schulz spielten die Gemeinsamkeiten beider Konfessionen wie die Taufe, die Heilige Schrift eine sehr wesentliche Rolle.

 
P1200682a bearbeitet 1kleinDer Lapsus mit dem seitenverkehrten Watzmann auf der evangelischen Fahne wurde schnell korrigiert.
 
P1200687a bearbeitet 1kleinKaplan Gerhard Wiesheu, Pfarrer i. R. Hans Peter Wagner, Pater Kajetan OFM, Pfarrer Herwig Hoffmann, Pfarrer Peter Schulz (von links)
 
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„Hausherr“ Frauenlob freute sich, dass die St.-Andreas-Kirche Schauplatz der Gedenkfeier sein durfte. Wenn vor 500 Jahren Papst und Kardinäle besser zugehört und die Landesfürsten nicht zuerst den persönlichen (auch finanziellen) Gewinn gesehen hätten, wäre aus dem jungen Wittenberger Professor Martin Luther ein Reformer geworden, aber kein Reformator, zitierte Pfarrer Frauenlob. So aber habe es die Spaltung bis in den letzten Winkel gegeben. Und Thomas Frauenlob war sich auch sicher, dass ein Gottesdienst zum Gedenken an die Reformation in einer katholischen Kirche vor einem halben Jahrhundert kaum möglich gewesen wäre.

Die Christen beider Konfessionen, sagte Pfarrer Thomas Frauenlob, hätten die Berufung zum ewigen Leben. „Das eint uns." „Wir können uns eigentlich konfessionelle Streitigkeiten gar nicht mehr leisten. Wir müssen zusammenhalten.“ Er denke, so der Dekan, alle seien bereit dazu, an einem Strang zu ziehen.

 
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Wie sein „Vorredner“ kam auch Pfarrer Peter Schulz auf Franz von Assisi zu sprechen. Der habe seinerzeit die unbequeme Frage gestellt, ob die amtierende noch tatsächlich seine Kirche sei. Und sei deshalb angefeindet worden. Wie nach ihm Martin Luther. Kirchliche und weltliche Machthaber müssten diese Fragestellung aushalten und nicht den Verrat in Kauf nehmen, denn wenn eine Kirche sich spalte, sehe er das als Verrat an. Es gäbe immer noch die Stimmen, die tönten, dass eine Kirche ständig reformiert werden müsse. Weil sie das, was sie für richtig hielten, gern zum Gemeingút erhoben sähen. Das, wozu wir Christen berufen sind, sollten wir in die Welt tragen: Das Evangelium, das Bekenntnis. Es gehe darum, dass man weitergäbe, was man wisse. Glauben sei natürlich eine private Sache, die Religionen indes seien öffentlich. An die katholischen Mitbrüder und Schwestern gewandt, bekannte Schulz: „Wir gehen mit euch zusammen in die Zukunft, weil es gar nicht mehr anders geht und weil Jesus der Gleiche ist und der Heilige Geist ebenso.“

Der Festgottesdienst wurde musikalisch gestaltet vom Posaunenchor der St.-Andreas-Kirche in München, der kräftig und einfühlsam auch die von der Gemeinde gesungenen Lieder begleitete. Zwei besondere musikalische Farbtupfen setzte der Jugendchor von St. Marien in Greiz unter Leitung von Ralf Stiller. Die jungen Sängerinnen und Sänger aus Thüringen trugen zwei Chorstücke von Johann Walter vor, einem engen Mitarbeiter Luthers, dessen Melodien und Texte auch heute noch im Evangelischen Gesangbuch mehrfach enthalten sind. "Allein auf Gottes Wort - will ich mein Grund und Glauben bauen. Das soll mein Schatz sein ewiglich, dem ich allein will trauen" und "Nun bitten wir den Heiligen Geist, um den rechten Glauben allermeist". Zwei Stücke, die fast passgenau auf die beiden Predigtteile abgestimmt schienen.

 
P1200689a bearbeitet 1kleinRalf Stiller war mit seinem Jugendchor an St. Marien in Greiz zu den Jubiläumsfeierlichkeiten gekommen
 
P1200702a bearbeitet 1kleinPrädikant Rolf Bechtel, Diakon Markus Sellner, Prädikantin Ruth Landes, Pfarrer i. R. Josef Zierl (von links)
 
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Zum lockeren Teil des Festtages ging es im losen Zug zum Kongresshaus. Und tatsächlich konnte man wie von langer Hand geplant, den Kurgarten teilweise nutzen, da der Regen inzwischen seinen Rückzug angetreten hatte und, wenn auch etwas verschüchtert, ab und an die Sonne hervorkam. Die Bischofswieser Alphornbläser begrüßten die Festgäste zum geselligen Teil, zwischendurch ließen die jungen Trommler aus dem Kinderhort der Lebenswelt Insula gekonnt Töne durch den sogenannten Verbindungsbau und über die Kongresshaus-Terrasse schweben.

 
P1200711a bearbeitet 1kleinDie Bischofswieser Alphornbläser begrüßten die Festgäste zum geselligen Teil
 
P1200715a bearbeitet 1kleinTrommlergruppe aus dem Kinderhort der Lebenswelt Insula
 
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Festgsteklein 

An einem Stand des CJD konnte man sich über ein Lutherprojekt der Schüler informieren. Süßes und Herzhafteres lag bereit, es gab das besondere, eigens für diesen Tag vom Hofbräuhaus gebraute Berchtesgadener Reformationsbier mit Krug und Bierdeckel. Und wer wollte, konnte die theologische Diskussion in gemütlichem Ambiente fortführen. Beispielsweise, diese Frage war vermutlich eine der meist erörterten, warum beim Festgottesdienst kein Abendmahl gereicht wurde. Weil man Rücksicht genommen hat auf die katholischen Mitschwestern und -brüder, war die ebenfalls oft zu hörende Antwort. Zwar müssen wir den Weg in die Zukunft gemeinsam gehen, wie in St. Andreas mehrfach zu hören war. Aber es ist eben nicht gerade ein kurzer Weg. 

Dieter Meister
 
Text: Dieter Meister/"Berchtesgadener Anzeiger"
Fotos: Andreas Pfnür

 

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